Die Schweizer Banken sind noch Lichtjahre von Open-Innovation-Plattformen entfernt. Dabei liessen sich damit zu extrem tiefen Kosten extrem viele grossartige Ideen gewinnen, sagt der Ex-Credit-Suisse-Manager und heutige Finanzprofessor Patrick Schüffel.
Von Patrick Schüffel, Professor an der Hochschule für Wirtschaft Fribourg und Direktor des dortigen Instituts für Finanzen
McDonald’s tut es und BMW auch, Mammut, Coca-Cola und Bosch ebenso wie Procter & Gamble. Sogar Napolen Bonaparte tat es. Sie alle betreiben – oder im Falle Napoleons betrieben – Open Innovation.
McDonald’s lancierte in Deutschland die Aktion «Mein Burger», in der Kunden ihren eigenen Hamburger zustellen konnten. Der Outdoor-Bekleidungshersteller Mammut suchte auf der Open-Innovation-Plattform Atizo nach Ideen für einen neuen wetterfesten Reissverschluss.
Wie Napoleon die Konservendose erfand
Und Coca-Cola ist auf Facebook und mit einer «Happiness App» bei Millionen von Usern auf der Suche nach neuen Marketing Themen. Bei Bosch wird auf der firmeneigenen Open-Innovation-Website vor aller Welt diskutiert, ob man nicht Plastikventilatoren statt Metallventilatoren in Autobauteilen nutzen sollte.
Die Firma Procter & Gamble bediente sich der Experten-Plattform Innocentive, um ihr Multi-Millionen-Dollar-Produkt «Spin Brush» zu kreieren. Und Napoleon schliesslich, schrieb einen Wettbewerb aus, in dem die besten Ideen eingereicht werden sollten, wie man Lebensmittel für seine Truppen besser haltbar zu machen. Ihm verdanken wir die Konservendose.
Die Geschwindigkeit der Ideen
So unterschiedlich die zu Grunde liegenden Fragestellungen auch sein mögen, die Motivation, sich des Open-Innovation-Ansatzes zu bedienen, ist immer identisch: Warum nur ein paar wenige Köpfe auf wichtige Fragestellungen ansetzen, wenn sich ebenso Dutzende, Tausende, ja sogar Millionen mit dieser Fragestellung auseinander setzen könnten.
Dabei besteht der Vorteil dieser Methode nicht nur in der schieren Anzahl von Ideen, welche Firmen damit einsammeln können. Die Geschwindigkeit, mit der Ideen unterbreitet werden, ist ebenfalls höher und der «Fit» der Ideen ist mitunter extrem gross, wenn es sich bei den Ideengebern ebenso um Kunden handelt.
Was machen die Schweizer Banken?
Das Beste dabei ist: Die Kosten, die der Open-Innovation-Ansatz verursacht, sind vergleichsweise gering. Dies ist sicherlich ein Faktor, der gerade in der heutigen Zeit nicht zu vernachlässigen ist.
Und was machen die Schweizer Banken? Fehlanzeige in Sachen Open Innovation. Oder um präzise zu sein, abgesehen von ein paar spärlichen Ausnahmen – Fehlanzeige.
Lichtjahre davon entfernt
Zwar haben die einen oder anderen Schweizer Banken schon die eine oder andere Frage auf der Open-Innovation-Plattform Atizo zur Diskussion gebracht, beispielsweise einen neuen Marketing-Claim. Aber mit diesem punktuellen Einsatz von Open Innovation sind sie noch Lichtjahre davon entfernt, dieses Konzept als festen Bestandteil ihrer Unternehmensprozesse zu betrachten.
Dabei gibt es durchaus Beispiele, wie es gehen könnte. Die Commenwealth Bank of Australia etwa macht mit ihrer «Idea Bank» (Bilder oben) vor, wie man kontinuierlich auch im Bankgeschäft Open Innovation betreiben kann. Seit etlichen Jahren vergibt sie jedes Quartal 10’000 australische Dollar für die beste Idee, die ihr unterbreitet wird.
Banking für das 21. Jahrhundert
Barclays in Grossbritannien hat mit der Website «We’re listening» eine Stelle geschaffen, wo Kunden der Bank ihre Ideen mitteilen können. Unsere österreichischen Nachbarn wiederum haben bei der Sparkasse das S-Lab erschaffen, wo regelmässig Aufrufe an Kunden ergehen, sich mit bestimmten Problemstellungen zu befassen.
Die Avanza Bank in Schweden hat die Internet Initiative «Labs» gestartet, in der wiederum jeder Kunde jegliche Ideen eingeben kann. Auch die russische Sberbank hat mit «Sberbank 21» eine Open-Innovation-Initiative auf den Weg gebracht, um Ideen für das Banking des 21. Jahrhunderts einzusammeln.
Unmengen neuer Ideen
Was ist also los, warum hat Open Innovation nicht schon längst auch in der Schweizer Bankenbranche Einzug gehalten? Die Vorteile liegen doch auf der Hand: Unter vergleichsweise extrem geringen Kosten könnten extrem schnell Unmengen neuer Ideen für das Schweizer Banking generiert werden.
Liegt es eventuell daran, dass wir uns generell mit Neuerungen schwer tun und erst recht mit solch weitreichenden Neuerungen wie Open Innovation?
Leiden an einem Syndrom?
Liegt es an der Kultur der Schweizer Banken, die vielleicht immer noch unter dem «Not invented here»-Syndrom leiden und jeglicher Idee, die von aussen auf die Firma zugetragen wird, misstrauisch gegenüber steht?
Liegt es möglicherweise an einem Hierarchiedenken, das es allenfalls nicht zulässt, dass eventuell ein Kunde eine (bessere) Idee hat, die der Produktexperten der Bank nicht hatte?
Zunächst vielleicht ein Widerspruch
Möglich. Aber all diese Gründe sind es kaum wert, es nicht doch einmal mit Open Innovation zu probieren. Zudem könnte man ja zunächst einmal klein anfangen und Open Innovation innerhalb der Firma praktizieren, auch wenn dies zunächst einmal wie ein Widerspruch in sich aussehen würde.
Warum nicht fachspezifische Fragestellungen einem grösseren Publikum öffnen? Warum nicht eine firmeninterne Website bereitstellen, auf welcher der Kundenberater mit den Experten von Strukturierten Produkten darüber diskutieren kann, ob und wie Hypotheken gegebenenfalls mit solchen Finanzinstrumenten ergänzt werden könnten.
Fast nichts zu verlieren
Warum nicht alle Mitarbeiter befragen, wie mehr Kreditkartenpakete abgesetzt werden könnten. Warum nicht sämtliche Personalkunden – falls Interesse besteht – miteinbeziehen, wenn es darum geht, neue Self-guided Internet-Angebote zu erstellen?
Die Möglichkeiten, die sich den Banken mit Open Innovation bieten, stellen ein ungeahntes Potential dar, das noch nicht einmal ansatzweise abgerufen wurde. Es gibt mit diesem Ansatz fast nichts zu verlieren, aber mit Nicht-Einsatz von Open Innovation eine Menge zu verlieren – im schlimmsten Fall die Wettbewerbsfähigkeit.